Das Leben lag für Manuel Buchholz auf dem Präsentierteller – behütete Kindheit, problemlos absolvierte Schule, ein erfolgreiches Studium und nicht zuletzt ein vielversprechender Job als Bauleiter bei RST. Aber manchmal führen auch perfekt vorgezeichnete Straßen ins Abseits. Verständnis und Hilfsbereitschaft in familiärem und beruflichem Umfeld sind dann eine Voraussetzung für den Weg zurück in die Spur.
„Eigentlich lief alles nach Plan“, erinnert sich Manuel Buchholz. Der dreißigjährige Quedlinburger macht einen energisch-zupackenden Eindruck, ein Typ, der fest auf dem Boden steht. Nur die verhalten-zurückgenommene Stimme will nicht so recht zu der sportlich-durchtrainierten Erscheinung passen.
Schön früh merkte er bei handwerklichen Arbeiten, dass ihm technische Dinge liegen. Nach dem Abitur wurde über ein Berufsberatungszentrum der Kontakt zu RST hergestellt und Manuel absolvierte ein duales Studium über 4 ½ Jahre. Das Tiefbaustudium wurde mit einer Ausbildung zum Straßenbauer und praktischer Arbeit kombiniert, um in der Folge als Bauleiter bei RST aktiv zu werden. Das nennt man eine klare Perspektive. „Schon damals ist mir das fast familiäre, dabei aber sehr ergebnisorientierte Klima bei RST angenehm aufgefallen“, erinnert sich der Tiefbauingenieur.
Heute weiß er, dass jeder Bauleiter ein Hotspot der Konflikte ist. Hier laufen alle Forderungen zusammen, die Wünsche des Kunden, Regeln und Abläufe der eigenen Firma, die Ansprüche von Lieferanten und Subunternehmer und nicht zuletzt die 1000 und 1 Probleme, die es auf jeder Baustelle zu lösen gilt – und dass alles zumeist in einem zeitlich anspruchsvollen Korsett. Stress und Ärger sind oft vorprogrammiert, ohne eine gewisse Konflikt-Resilienz geht es nicht. „Das ist mir allerdings erst heute so richtig klar“ bilanziert der Quedlinburger.
Aber nach dem Studienabschluss 2018 ist Manuel noch lange kein Bauleiter. Dazu gehört weit mehr: Kontakte, Erfahrungen, Menschenkenntnis … Deshalb wird bei RST den Jungbauleitern ein erfahrener Kollege als Mentor an die Seite gestellt. Dem assistiert der Studienabsolvent bei größeren Projekten, kann aber bereits kleinere Baustellen eigenverantwortlich übernehmen. Darüber hinaus sorgen wöchentliche Bauleiterrunden für einen ständigen Erfahrungsaustausch.
„Das alles ist eigentlich durchdacht organisiert, bietet im Bunde mit einem kollegialen Betriebsklima gute Voraussetzungen für eine reibungslose Einarbeitung und die möglichst stressfreie Bewältigung der Drucksituationen auf einer Baustelle“, weiß Buchholz. Trotzdem spürte er im März 2021, dass diese ständige Anspannung etwas mit ihm machte. Erste Konzentrationsschwächen traten auf, die Abarbeitung von Aufgaben dauerte länger, Überstunden fielen an, die wieder zu Konzentrationsproblemen führten – ein Teufelskreis. „Ich wollte mir diese Probleme zunächst nicht eingestehen, zumal sie wellenartig auftraten. Aber die Wellentäler wurden immer tiefer. Manchmal war jedes Telefonat zur Herausforderung – da hat man schon mal das Gefühl, als Bauleiter ungeeignet zu sein“ beschreibt er seine damalige Gefühlslage. Dazu kam die Angst, dass Kollegen seine Probleme bemerken. Irgendwann ging es nicht mehr – Manuel war raus aus der Spur. Heute weiß er, dass so die klassischen Symptome einer sich ausprägenden Depression aussehen.
Es kamen Monate, die nicht ganz einfach waren. Ab 2022 erfolgte eine schrittweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Die Überwindung einer derartigen mentalen Schwäche ist harte Arbeit. „Obwohl ich 2023 beruflich wieder einstieg, merkte ich, dass mir zur völligen Wiederherstellung etwas fehlte“, fasst der junge Mann seine damalige Gemütslage zusammen. So entstand die Idee zu einem Sabbatical, der Geschäftsführer Carl Finck aufgeschlossen gegenüberstand. Der weiß, dass nur Mitarbeiter, die körperlich und mental fit sind, beste Arbeit liefern und sich 100-prozentig mit der Firma identifizieren. Ganz unkompliziert wurden finanzielle und versicherungstechnische Rahmenbedingungen verhandelt, die Manuel das Sabbatical und eine reibungslose Rückkehr in dem Betriebsalltag ermöglichten. Mit einer Mischung aus unbezahltem und bezahltem Urlaub war eine monetäre Grundausstattung stets gegeben, sodass er im Mai 2023 starten konnte.
Das war eine völlig neue Erfahrung. Denn anstelle der bisherigen all-inclusive Wohlfühl-Urlaubsreisen sollte es nun mit dem Rucksack, mit etwas holprigem Schulenglisch und auf sich allein gestellt, auf Tour gehen. Ein Pilgerweg schien auf dem Weg zu sich selbst der rechte Pfad. „Der bekannte Jakobsweg war mir zu überlaufen. Da kam mir der St. Olavsweg in Norwegen, der von Oslo nach Trondheim führt, gerade recht“, sagt der Bagpacker und ein Lächeln blitzt in den Augen. Neben naturnaher Einsamkeit bieten Pilgerwege zumeist einer Basisinfrastruktur an Herbergen und Zeltplätzen. Aber es gab Etappen, „da habe ich drei oder vier Tage keinen Menschen, keine Spur von Zivilisation gesehen“ begeistert sich Buchholz. In 34 Tagen legte er die 680 km mit ca. 23.000 Höhenmetern zurück. Der Weg war gut ausgeschildert, sodass das Handy für Navigationszwecke nur sporadisch zum Einsatz kam. Allerdings war die Tour im Mai etwas zu früh geplant. Sein Schlafsack war für tiefere Temperaturen nicht ausgelegt, was zu einigen, recht frostige Übernachtungen in norwegischer Wildnis führte. Daher gab er den ursprünglichen Plan auf, von Trondheim aus, weitere skandinavische Länder zu ergründen. Nun zog es den Urlauber in wärmer Gefilde. Auf Singapur folgten Malaysia, Thailand und indonesischen Inselwelten. Alles mit dem Rucksack auf eigene Faust, zu Fuß oder mit Bus, mal allein oder in einer Gruppe Gleichgesinnter. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man sich ohne Zwänge einfach treiben lassen kann, ohne zu wissen, wohin der Weg führt“, blickt Manuel Buchholz zurück.
So verging das halbe Jahr wie im Flug. Der Kontakt in die Heimat, auch zu Carl Finck und Kollegen von RST, riss nie ab. Als Einstimmung auf Europa bildeten einige kurze Trips nach Frankreich, Spanien und Portugal den Abschluss. Am Ende war das holprige Schulenglisch einer flüssigen Kommunikation gewichen. Viel wichtiger war aber, dass Manuel jede Menge Ruhe, Kraft, Zuversicht und Selbstvertrauen tanken konnte, um den Anforderungen des Arbeitsalltages zu genügen. Denn seit Ende 2023 ist er erfolgreich zurück in der Spur und bei RST wieder als Bauleiter aktiv.
Manuel ist begeisterter Breakdancer, der nicht nur selbst aktiv ist, sondern als Trainer Kinder und Jugendliche für seinen Sport gegeistert. Darüber hinaus traf er überall auf seinen Reisen Breakdance-Fans, mit denen es – auch an ungewöhnlichen Orten – gemeinsame Sessions gab.